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Mein Instrument

Meine Beziehung zur Flöte ist sehr schön und sehr nett – aber nicht unendlich.

Seit dem ersten Moment an bin ich dem Drang nach der Wiederholbarkeit des Klanges erlegen. Diese stete Begegnung ist es, die mich täglich antreibt. Schon in meinen Kindertagen gab ich mich dem in gewisser Weise hin. Seither spiele ich Flöte aus sowie mit ungeheurer Leidenschaft.

Dieses Instrument, das voller Mythen ist, das als das älteste weltweit gilt und gleichzeitig so wahnsinnig „simpel“ aufgebaut ist, es fasziniert mich. Es treibt mich seit Jahrzehnten auf die Bühnen der Welt. Es hat mir die Möglichkeit gegeben ein Mitglied der wunderbaren Wiener Philharmoniker zu werden und gar als Soloflötist Konzerte vor tausenden Zuseher:innen und -hörer:innen zu spielen - und auch sie damit in meinen Bann zu ziehen.

Doch was macht das Flötenspielen für mich so einzigartig? Was ist am Instrument und an meiner Art es zu spielen, so verlockend, das es mich einfach nicht mehr loslassen will?

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Zwischen Handwerk und Kunst.

Ich möchte zunächst mit einer These starten, (über die sich freilich streiten ließe): Das Handwerk bedingt in meinen Augen die Kunst. Denn das Flötenspielen ist gewissermaßen etwas Technisches; die Kunst kommt hingegen erst ganz zum Schluss. Erst wenn ich das Handwerk beherrsche, dann kann ich die Materie - also die Musik - so gestalten, wie es mir mein Wissen und meine Inspiration vorgeben. Dieses Gefühl immer und immer wieder Erleben zu können, ist die Antriebskraft mich dem Instrument und der Musik hinzugeben.

Und ohne kokett klingen zu wollen: das Spielen der Flöte, also das Handwerkliche, ist gar nicht so simpel, wie es von außen zunächst scheint. Denn die Flöte ist ein wahnsinnig ehrliches Instrument, bei dem vieles, manche sagen gar alles, der Körper macht. Der Prozess des Lufthaltens ist dabei schon wahnsinnig schwer zu erlernen. Das System, mit dem wir die Flöte spielen, muss dabei immer total stabil sein. Dahin zu kommen, dies über einen langen Zeitraum am Stück zu halten, dafür bedarf es Ausdauer, Mut und - im wahrsten Sinne des Wortes - einen langen Atem.

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Das Spielen, aber auch das Lehren der Flöte hat für mich dabei unglaublich viel mit Energie zu tun - und sich darauf einzulassen, in dem einzelnen Moment nur für die Musik zu sein. Wenn ich beispielsweise meine Studierenden unterrichte, bin ich immer genau für die eine Person, die vor mir steht, da und konzentriere mich auf sie und nur auf sie. Genau, wie es auf der Bühne mein Instrument und ich selbst von mir verlangen.

Während ich bei meinem eigenen Konzert mit meiner Flöte die Töne zum Klingen bringe, versuche ich in der Lehre die jeweilige Person nach vorne zu bringen. Und sei es nur in ihrer Liebe zur Musik. Denn das eint die Schüler:innen und mich: unsere bedingungslose Sucht nach guter Musik.

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Transzendenz. Unverfälschbar. Leicht zu transportieren.

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Für mich ist das Instrument daher auch mehr, als nur das Materielle. Das Musikmachen ist eine übersinnliche Erfahrung - es geht nur um einen selber. Die Nicht-Fassbarkeit des Klanges und eine damit fast schon übersinnliche Dimension, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Denn der Moment des Klanges ist schlichtweg unwiederholbar. Er ist ein im Leben einmaliger Augenblick, der dann auch wieder sehr schnell weg ist. Diese Transzendenz, über die ich mir schon so viele Gedanken gemacht habe und die ich schon Abertausende Male im Realen erleben durfte, fesselt mich ungemein.

Ich unterhielt mich einmal mit einem Bildhauer und sagte ihm, dass ich ihn und seine Arbeit sehr bewundere. Mit ihr kann man etwas erschaffen und es bleibt da, anders als es beim einzelnen Ton der Fall ist. Daraufhin sagte er: „Aber genau das ist das Problem.“ Diese Ewigkeit dessen, was Du schaffst, ist nicht in Stein gemeißelt und hat nicht die Flüchtigkeit des Augenblicks, den wir auch so schätzen. Es geht nicht nur um die schönen Momente, sondern auch um die Fehler. Es ist auch schön, wenn die Fehler vorbeigehen.

Die Nicht-Fassbarkeit des Klanges und eine damit fast schon übersinnliche Dimension, fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

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Mehr als ein einzelnes Objekt.

Fehler ist ein passables Stichwort, denn mein Instrument und ich, auch wir sind nicht fehlerlos. Wenn die Töne mit unter nicht stimmen, sucht man häufig den Fehler bei sich selbst. Doch gelegentlich ist es der Verschleiß, der Veränderungen im Klang nach sich zieht. Nach der Reparatur ärgert man sich: `Oh Mist und ich habe auf einem defektem Instrument gespielt´. Man hatte sich ja so lange damit herum geschlagen und glaubte, dass der Fehler bei einem selbst läge. Daher ist der Flötenbauer ein ganz wichtiger Mann in meinem Leben und seit Jahren exklusiv für meine Flöte zuständig.

Es gibt nicht viele dieser Flöten-Modelle in Österreich - vielleicht vier Stück - ich habe zwei davon. Mein Instrument hat überdies einen unglaublich praktischen Aspekt: es ist klein, handlich, zerlegbar - und damit leicht zu transportieren. Das Mittel- und Fußstück meiner aktuellen Flöte ist jeweils aus Japan, das Mundstück von meinem Wiener Flötenbauer Tomasi - damit habe ich sozusagen alle meine musikalischen Welten miteinander verbunden.

Für mich hat das Instrument (beim Musizieren) indes eine viel höhere Bedeutung als für die Zuhörer:innen. Denn das Instrument gibt mir einfach vielfältige Möglichkeiten. Die 24-Karat-Flöte kann zum Beispiel keine Energie absorbieren, weil das Material so dicht ist - es bleibt also sehr viel Kraft in ihr erhalten. Und hat dadurch natürlich auch ein ganz eigenes, spezielles und unverwechselbares Klangspektrum. Mit dem goldenen Material bietet es für eine gewisse Sicherheit und Verlässlichkeit und ich bin daher äußerst zufrieden.

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Innig, jedoch nicht unendlich.

Überhaupt ist meine Beziehung zur Flöte sehr eng und innig - aber sie ist nicht unendlich. Das Spielen macht mir große Freude. Aber das reicht mir auch. Ich mag die Flöte sehr, aber mehr noch liebe ich die Musik. Einen guten Geiger finde ich um einiges interessanter und höre auch sehr gerne guten Sängerinnen zu. Das ist schon auch etwas anderes, was Besonderes. Genau wie nahezu tagtäglich mit so unfassbar guten Musiker:innen auf der Bühne stehen zu dürfen & jeden Tag der Einzigartigkeit des Momentes beiwohnen zu können. All das ist ein großes Glück - und die Flöte gibt mir jedes Mal die Chance dazu.

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